Nachtgedanken
Er streifte sich den schwarzen Poncho über und setzte sich für einen Moment. Eine wohltuende Wärme durchfloß seinen Körper. Die Nacht und der Umhang verliehen ihm das Gefühl sich unerkannt und fast schon unsichtbar in der Dunkelheit zu bewegen. Eine bleierne schwere lag über seine Glieder. Gezeichnet vom regen treiben des Tages atmete er tief auf und versank augenblicklich in Gedanken.
Momentaufnahmen des Geschehenen schossen Ihm unweigerlich durch den Kopf und um Ihn herum versank alles in eine wohltuende Ruhe.
Doch plötzlich hörte er ganz in seiner Nähe Stimmen:
„Was glaubst Du, reißt das heut noch auf Walter?“
„Bestimmt den der Wetterdienst hat gemeldet das es in der zweiten Nachthälfte aufklaren soll.“
Ein grinsen huschte Ihm über das Gesicht. Es waren genau diese Augenblicke der Ruhe und der Harmonie aus der er die Kraft seines Schaffens zog.
Er stand auf und schaute zufrieden zum Himmel. Ehrfurchtsvoll bewunderte das fantastische Licht- und Farbenspiel zwischen Dämmerung und wahr werdender Nacht. Während sich am Horizont noch ein gelb violetter Saum abzeichnete, blitzten die ersten Sterne durch das tiefblaue Dunkel der Nacht.
Um ihn herum bereiteten sich die Menschen auf die kommende Nacht vor. Unbeeindruckt hiervon entschloß er sich, eigentlich wie jeden Abend, in das Dunkel der Nacht einzutauchen und etwas von dem wunderbaren Gefühl der Gemeinschaft für sich zu beanspruchen.
Bedächtig schlenderte durch die mit Teleskopen gesäumten Gassen des ITV´s. Hier und da schnappte er Gesprächsfetzen auf. Hinter der Silhouette eines kleinen Teleskops hörte zwei Jugendliche:
„Vom Geburtstagsgeld was ich mir zurücklege und wenn ich dann noch bis Weihnachten warte, kaufe ich mir ein neues Okular.“
Die Erinnerung an sein erstes Teleskop ließen ihn ein lächeln über das Gesicht huschen. Sein Leben nahm genau mit diesem Kauf eine außergewöhnliche Wende. Geboren aus den Untiefen seines Lebens wurde damals sein Verlangen nach der Unendlichkeit und nach einem neuen Inhalt in seinen Leben genährt. Und in der Tat, das C8 was einst in der Sternwarte der Gebrüder Herschel stand sollte einiges in seinen Leben verändern.
Seit jenen Tagen war die Farbe der Hoffnung für Ihn orange.
Wie hatte sich all das hier im laufe der Jahre verändert. Fast schon ungläubig betrachtete er die Silhouetten der sich am Horizont abzeichnenden Teleskope und Zelte.
„Auch mal Mars anschauen?“
Eine freundliche Stimme sprach Ihn an.
„Klar, gerne sogar.“
Er blickte in das Okular und er versank abermals in seinen Erinnerungen. Das Gefühl seines ersten Planeten Anblicks war noch so präsent wie vor 12 Jahren. Damals durchstreifte er den Himmel nach dem Saturn. Jeden hellen Lichtpunkt betrachtete er suchend in seinem Teleskop ohne zu wissen was ihn erwartete. Nach einer halben Ewigkeit fand er ihn und holte aufgeregt seine Eltern. Der wundervoll anmutende Ringplanet erschien ihm so unwirklich und fast schon kitschig. Es war einer der wunderbarsten Momente in seinem Leben.
„Toll wirklich schönes Bild, ein 100er Apo?“
„Ist ein 102er FL von Vixen.“
„Tolle Optik die ist richtig scharf.“
Schweigen wandte er sich ab und tauchte abermals in die Dunkelheit ein. Beim Anblick der wunderbar funkelnden Sterne am Himmel rann eine kleine Träne an seiner Wange herab.
Mit leiser Stimme sprach er: „Was täte ich dafür geben wenn du all das noch hättest miterleben können Ma.“
Eine ihm bekannte Stimme riß ihn aus seiner Trauer
„Hi Gio, wieder mal on Tour?“
„Die Zeit brauche ich einfach um mich auf die Beobachtungsnacht einzustimmen. Es tut schon gut, mal unbemerkt über den Platz zu schlendern. Sich einfach fallen lassen und abschalten.“
Etwas ironisch entgegnete er ihm:
„Na klar, als reichster Astrodealer der nördlichen Hemisphäre kommt man beim Geld zählen schon ins schwitzen.“
Er grinste:
„Klar doch, die Tele-Optic macht mich zum reichsten Mann in OWL. Und es dauert auch gar nicht mehr so lange, da werden wir den Grundstein legen für unseren 350 Meter hohen Maggi-Tower in Stumpertenrod.“
„Wie läufts den eigentlich so mit der Magellan?“
„Du, es schaut ganz gut aus. Das Heft kriegen wir immer voll und das Konzept wird von den Lesern gut angenommen. Als Daniel und ich im Oktober 1998 mit der Konzeption für das Heft begannen, hatten wir nie damit gerechnet das die Idee der Magellan so große Resonanz erhalten würde.“
„Ich hab noch die Ausgabe Eins zu Hause rumfliegen“
„Bloß gut aufbewahren, in Sammlerkreisen werden Höchstpreise für ein gut erhaltenes Exemplar gezahlt.“
„Dann kriege für meine leider nicht mehr soviel. Das Titelbild ist auf dem blauen Karton kaum noch zu erkennen.“
„Du das Problem kenne ich. Das liegt an der Fotokopierschwärze die sich so langsam abgreift. Die ersten Ausgaben wurden auf dem Fotokopierer bei mir im Bildungswerk kopiert und getackert. Es war dann auch richtig schwierig eine vernünftige Druckqualität zu bekommen. Da mußten wir oftmals die Kopiervorlge per Hand nacharbeiten um später beim Fotokopieren noch etwas vom Objekt zu erkennen. Bei der Ausgabe eins haben wir bis spät in der Nacht per Hand die Beobachtungsobjekte in den Zeichnungen mit einer Süßstofftablette aufhellen müßen da wir keinen weißen Bleistift zur Hand hatten.“
„Ja das stimmt es war manchmal nicht ganz einfach etwas auf den Zeichnungen zu identifizieren.
Indirekt konnte man das Objekt oftmals für einen längeren Zeitraum aber halten“
Nach einem herzhaften Lacher verabschiedete er sich von der willkommenen Aufheiterung.. Allmählich durchströmmte ein aufgeregtes Kribbeln seinen Körper und zog in unaufhaltsam zu seinem Teleskop.
Rote Lichtpunkte, die wie kleine Glühwürmchen umhertanzten säumten den Weg zu seinem Lager. Als er dort ankam, war bereits ein geschäftiges Treiben an den anderen Teleskopen zu vernehmen. Schmunzelnd betrachtete er die Warteschlangen vor den großen „Tütten“.
„Entschuldigung haben Sie schon etwas eingestellt“
Vorsichtig fragend näherte sich ein Sternfreund.
„Noch nicht, aber komm mal ruhig ran. Hast du schon mal den Cirrus-Nebel formatfüllend in all seiner Pracht bewundern können? Wie sich die zwei Schalen fast kreisrund in den nächtlichen Himmel abzeichnen. Welch enormen Kräfte haben dort wirken müssen um die wunderbaren Schwingen des Sturmvogels zu formen.....“
Giovanni Donelasci