DON CAMILLO VISITA IL CYGNO
Wie vielen ich, mit meiner ständigen Italien Schwärmerei auf die Nerven falle weiß ich nicht, doch wer nur ein einziges Mal den Zauber des „Unendlichen“ erleben durfte wird jene Momente und Erlebnisse, so wie ich, nimmer aus seinen Herzen und Erinnerungen verbannen. Sicherlich werden mich dann all jene verstehen können, die etwas ungläubig meinen Erzählungen folgen über einen Himmel jenseits der 6.5mag.
Ich möchte nicht von neuen Sichtungen berichten, auch liegt es mir fern der ganzen Welt kund zu tun, welch begnadeter Astronom ich doch bin. All jenes verfehle ich bei weitem. Berichten möchte ich von jenen Himmelsgebilden, die ihr Antlitz in ihrer ganzen Größe und Pracht nur selten offenbaren. Sei es das Teleskop was den Drang nach mehr einschränkt, oder der Beobachtungsort der ein mehr nicht zuläßt.
Liebevoll nennen meine Landsleute Sie „La Via Latia“ , was ins Deutsche übersetzt „ Die Milchstraße“ bedeutet. In Ihr befinden sich so großartige Himmelsobjekte wie der Nordamerikanebel, Pelikannebel, Cirrusnbel und noch vieles mehr. Objekte die wir alle irgendwann mal an unserem Astronomieabenden versucht haben zu beobachten doch für viele unter uns sind und waren die gewonnen Eindrücke über diese wunderbaren Himmelsobjekte stark getrübt von dem was ich vorab schon angesprochen hatte.
Diesen Objekten im Herzen der sommerlichen Milchstraße, möchte ich diesen Bericht widmen.
„ Keine Panik Donelasci, das Wetter wird heut Nacht gut werden. Du bist ja schließlich nicht in good old Germany.“
Genau genommen befand ich mich im Herzen Italiens, meinem Heimatland. Unser Haus befindet sich in dem kleinen Dorf Castel San Benedetto in unmittelbarer nähe der Stadt Rieti dem geographischen Mittelpunktes Italiens. Von meinem Dorf aus, was sich auf einer Höhe von 700 Meter befindet, besitzt man einen wunderbaren Ausblick auf die Senke von Rieti und den umliegenden Apenninen. Da aber das nächtliche Streulicht von Rieti sich störend auf das ultimative Beobachtungserlebnis auswirken hätte können, zog ich es vor auf den nahe gelegenen Monte Terminillo (2200Mt.) zu fahren. Der Ort an dem ich beobachten wollte befand sich auf der Rückseite des Gipfels und war genau genommen eine Paßhöhe namens Sella di Leonessa auf einer Höhe von 2000 Mt. und in ungefähr 25 km Entfernung. Schon bei der Anfahrt zu meinem auserkorenen Beobachtungsstandort schaute ich erwartungsvoll durch das Sonnendach meines Diesels in den nächtlichen Sternenhimmel. Bei jedem Meter den ich mich den steilen Paß hinauf schraubte, bot sich mir ein sternenreicherer Himmel als zuvor. Als ich dann auf der Paßhöhe angelangt war, konnte ich meinen Augen kaum trauen was mir der Sternenhimmel hier bot. Ehrfurchtsvoll schaute hinauf zum Himmel und erblickte eine Milchstraße, die ich zuvor nie so hab erleben können. Irgendwie hatte ich immer gedacht um so höher man kämme, desto dunkler würde der Himmel werden. Doch das traf hier nur zum Teil zu, den hoch über mir, breiteten sich wie zwei riesige schützende Arme die Milchstraße über mir aus. Wie große hell gleißende Wolken umspannte die Via Latia das Firmament. Orientierungslos versuchte ich meine ersten Sternbilder zu deuten, denn es war und ist alles andere als einfach unter solchen Sternenhimmel (ca.6.9mag) sich zurechtzufinden. Überwältigt von dem was ich hier oben sah, begann ich mit den ersten Beobachtungen des Abends. Aber nicht mit meinem Teleskop sondern mit meinem Augenpaar das alles am Himmel begierig aufnahm. Und hier an diesem Ort konnte ich jene Worte, wirklich und auf einzigartiger Weise nachvollziehen: „Deep Sky Beobachtung fängt mit dem bloßen Auge an.“
Am Himmelszenit stand der Cygnus(Schwan) und schaute auf mich herab. Erst jetzt vermochte ich verstehen was dem Namensgeber dieses Gestirns bewegte jenen Namen auszuwählen, den in der Antike war es sicherlich nicht nötig auf jenen Höhen zu beobachten so wie ich es tat. Kein Luft- beziehungsweise Lichtverschmutzung dessen Blick hätte trüben können. Der Cygnus, ein wahrhaftig großartiges Sternbild in mitten der sommerlichen Milchstraße. Man hatte beinahe schon einen plastischen Eindruck dieses majestätischen Vogels. Die zwei großen Flügel werden durch die zwei Sterne Gienah Cygni und
Cygni symbolisiert. Inmitten des Sternbildes befindet sich der Stern Sadr
( Cygni) von dem der lange Hals des Sternenvogels sich in die tiefen des Alls erstreckt. Außergewöhnlich war dabei, das die Milchstraße die das Sternbild durchkreuzt, besonders stark aufgehellt war zwischen dem Stern Sadr ( Cygni) und Albireo. Man glaubte den (etwas zu dick geratenen) Hals des Schwans zu erblicken. Doch das Prunkstück dieses Sternbildes ist der Nordamerika Nebel der die hinteren Schwanzfedern bzw. das Hinterteil des Schwans repräsentiert. Einige unter euch werden sich vielleicht verwundert über meine Einblicke des Sternbildes zeigen. Auch diesen Sternfreunden kann geholfen werden, den ich beziehe mich auf altertümliche Sternkarten des „Flamstradschen Himmelsatlas von 1729 (im Jahre 1782 verbessert und neu aufgelegt durch J.E.Bode). Interessant ist für mich hierbei, das dort ein neuer Astronom und Naturforscher r namens Messier seine vielleicht ersten Publikationen über Himmelsobjekte veröffentlichte. Irgendwo hatte ich diesen Namen doch schon mal vernommen?
Da war er nun der Nordamerika Nebel bekannt auch unter der Bezeichnung NGC 7000. Ich erinnerte mich an Beobachtungsnächte wo ich verzweifelt versuchte jenes Objekt zu beobachten. Überwältigt blickte ich zum Schwan hinauf und stellte fest, das man den Nebel auf eindrucksvollste Weise mit bloßem Auge, hell leuchtend erblicken konnte. Welch Geheimnisse vermochte wohl mein 130 mm f5 Refraktor jenem Objekt entlocken können?
Es war nun an der Zeit jener Frage gründlich auf den Grund zu gehen. Dank einer benutzerfreundlichen Selbstbaumontierung war es mir möglich in wenigen Minuten den Gelüsten meiner Begierde zu frönen.
Als Probe an den nächtlichen Himmel stellte ich den NGC 7000 ohne O3 Filter ein. In dieser Nacht sollte ich nur mit dem 40er 2“ Pentax XL Okular beobachten. Mit dieser Kombination kam ich auf satte 4° Gesichtsfeld am Sternenhimmel und einer max. Austrittspupille von 8 mm. Aufmerksame Himmelsbeobachter werden jetzt stutzend auf diese 8 mm schauen. Ich kann mir denken was jetzt so mancher Leser denken wird:
„ 8 mm AP die kann man doch gar nicht voll nutzen?“
Ja Ja ich weiß aber die Erfahrung die ich bislang machte, ließ mich etwas von der vorherrschenden Meinung abkommen und eigene Beobachtungstheorien entwickeln. Gerade bei großflächigen Nebeln ist es besonders wichtig das zu beobachtende Objekt in seiner ganzen Größe zu betrachten um den Kontrast des Objektes zum Himmelsgrund sichtbar zu machen.
Der erste Blick durch das Okular war für mich schon eine kleine Überraschung, denn NGC 7000 war auch ohne den OIII bemerkenswert gut zu beobachten. Auffallend hervor trat auch hier, wie soll es auch anders sein „Mexiko“. Aber auch der Dunkelwolkenregion neben NGC 7000 trat besonders neben „Mexiko“ besonders stark hervor. Bei früheren Beobachtungen dieses Objektes trat dieser dunkle Teil des Komplexes bislang nicht so augenscheinlich hervor. Wobei ich anmerken muß, das die bisher gemachten Beobachtungen in Deutschland es nicht zuließen ohne OIII zu beobachten.
Mein Hunger nach mehr, viel mehr war nun geweckt und ich schraubte eilig den OIII-Filter in das 40èr. Auch hier bot sich mir ein phantastischer Anblick wobei ich feststellte das die Dunkelwolkenregion im Hintergrund blieb bzw. gar nicht mehr hervor trat. Kein Vergleich zu dem was ich je vorher sah. Fast schon 3-Dimensional sprangen die Objekte in mein Gesichtsfeld. Bei 4 Grad Gesichtsfeld am Himmel liegen der Nordamerikanebel, die große Dunkelwolke LDN 935 und der Pelikannebel im Okular-Sichtbereich. Ohne eine Region genauer zu studieren wanderte mein Auge den Gasnebelkomplex neugierig ab. Abermals auffallend war die Region um Mexiko.
Beim beobachten stellte ich fest das der hell-dunkel Kontrast besonders in dieser Region mit dem OIII-Filter gestiegen war. An den Randpartien des Mexiko-Archipels war der Gasnebel stellenweise aufgehellt so das man den Eindruck hatte kleine Gebirgszüge würden sich abheben. Nicht so Ausgeprägt aber dennoch gut sichtbar waren all die anderen feinen Aufhellungen mit denen NGC 7000 durchsetzt ist.
Nicht mehr klar abgrenzbar war hingegen der obere nördliche Teil, da dieser sich teilweise mit der Milchstraße verschmolz.
Die Dunkelnebel B352 und B353 am nördlichen Ende waren dadurch wahrnehmbar, da Sie NGC 7000 scheinbar zu zerfransen schienen. Neugierig schwenkte mein Blick zum Pelikannebel herüber. Fragend besah ich mir das Gebilde aus Interstellarer-Materie und fragte mich: „Wie in Teufelsnamen kann man das Ding so benennen“
Hochkonzentriert beobachtete ich das Objekt und versuchte angestrengt eine Form oder etwas an einen Pelikan ähnelndes zu finden.
Das was ich erkennen konnte waren die das Objekt durchsetzten. Ich beobachtete zwei längliche Streifen die von der Mitte des Komplexes bis zum äußeren Ende erstreckten.
Von dort wo die zuvor beschriebenen Einzelheiten in der Mitte des Komplexes begannen, erstreckten sich einmal 90 Grad nach links und rechts versetzt je ein Dunkelnebelstreifen. Am linken Nebelstreifen befanden sich am Ende zwei kleine Sterne. Der Rechte war etwas gebogen und lag dem linken Nebelstreifen gegenüber.
Mit viel Phantasie stellte ich mir vor das die zwei länglichen dunklen Gasnebelwolken mit stelzenartigen Füße zu vergleichen waren und der linke und rechte rechte Dunkelnebelstreifen die Flügel symbolisierten. Den Kopf bildete ein recht Heller Stern am oberen Ende des Komplexes.
Erst später stellte ich beim durchforsten einer Interstallarum fest (auf dem Cover einer I.S) das ich leider total daneben gelegen hatte. Die vermeintlichen Füße waren in Wirklichkeit der Kopf und den Rest nun ja , Künstlerpech.
Langsam nagte der kühle Wind der hier oben wehte an meinem visuellen Standvermögen. Trotz der hochsommerlichen 28 Grad Celsius im Tal (um 1:00 morgens), war es hier oben empfindlich kalt.
Ich beschloß mein letztes Himmelsobjekt für den heutigen Tag zu besuchen. Was anderes als der Cirrus-Nebel hätte es sein können. Auch dieses Objekt beobachtete ich mit der gewohnten Okular-Filter Kombination. Der komplette Cirrus-Nebel Komplex war auch diesmal innerhalb von 4 Grad Gesichtsfeld beobachtbar. Welch atemberaubender Anblick die auseinanderdriftenden Schleierwolken in Ihrem ganzen Umfang zu beobachten.
Erst jetzt vermag man zu erahnen, welch gigantischen Kräfte jene Supernova einst auslöste. Auch dieses Objekt kannte ich aus vorangegangen Beobachtungen in Deutschland, doch nie wurde mir eine solche Einzelheitenvielfalt zu teil wie bei dieser Beobachtungsnacht. Gestochen scharf hoben sich die Schwingen vom dunklen Himmelshintergrund ab. Die etwas kleinere Schwinge NGC 6992 mit NGC6995 war reich mit seinen eindrucksvollen Filamenten durchsetzt und am äußeren Ende der Schwinge leuchtete schwach wie ein kleiner Wattebausch hell, der Nebel IC 1340. Ein paar Grad weiter stand NGC 6990 der vorher beobachteten Schwinge gegenüber. Bewußt lasse ich die Beschreibung dieser Schwinge aus und gehe gleich zu einer weiter innen liegenden Schwinge die ich zuvor noch nie bemerkte. Diese innere Schwinge war jedoch schwächer als NGC 6992 und NGC 6960. Sehr feine Filamente verloren sich ins innere des Cirrus-Nebels. Wenn man dann diese innere Schwinge, so möchte ich sie einmal nennen da ich keine Bezeichnung für diese habe, nach außen weiter verfolgte, bemerkte man das sie sich zunehmend verdickte und in einen schwach leuchtenden Nebelfleck endete. Die Schwinge war durchsetzt mit kleinen Sternen die wie an einer Perlenschnur gezogen durch das Objekt liefen.
Überwältigt aber sehr müde beschloß ich meine Beobachtungsnacht zu beenden und richtete den Refraktor sozusagen als Schmankerl ein letztes mal auf den Stern Sadr-(Cygni). Wie ich aus der Uranometria entnommen hatte gab es um diesen Stern ein Vielzahl von verschiedenen Objekten. Ein letztes mal ließ ich mich verzaubern und sah hochachtungsvoll in das Okular. Das Bild schien als würde es wabern. Um Gamma-Cygni herum waren feine, an Wattebäusche ähnelnde Nebelwolken, die in mir dieses Gefühl von wabernden Wolken erweckten.
Egal was für Worte ich finden würde für jene Beobachtungsmomente, egal welche Zeichnung ich anfertigen würde, nichts könnte jenes wiedergeben was ich an jenem Abend sah und empfand.
Bewußt habe ich daher auf Helligkeitsangaben, Größen und vieles andere Objektbezogene verzichtet, den all das ist bei meinem kleinen Beobachtungsbericht vom August 97 gar nicht so wichtig.
Ich hoffe das euch für einen kleinen Augenblick entführen konnte um euch den Himmel und seine Wunder durch meine Augen ein Stück näher zu bringen.
Giovanni Donelasci